BAD WINDSHEIMER ZEITUNG - 29.11.2018
(Claudia Lehner)
Vom Schäferhaus Exotisches in die Welt tragen
Das Zelttheater Comoedia Mundi überwintert seit 30 Jahren auf dem Areal des Schlosses in Trautskirchen

TRAUTSKIRCHEN – Der Wind pfeift durch das mit Balken verstärkte Tor zum Schlossgelände. Rechts ragt herrschaftlich das hübsch sanierte Herrenhaus auf, links daneben befindet sich ein kleineres Gebäude, anheimelnd scheint das Licht aus den Fenstern des früheren Schäferhauses. Davor schnattern aufgeregt Enten an einem kleinen Weiher. Im Hof, zwischen den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden, heutigen Lagerräumen und der Werkstatt, stehen Wohnwagen, aufgebockt für den Winter. Sie lassen erahnen, wer hier zu Hause ist: das Zelttheater Comoedia Mundi.

Seit gut 35 Jahren tourt Fabian Schwarz von Ort zu Ort – von Mai bis etwa Ende Oktober. Seit drei Jahrzehnten kommt er im Winter immer an einen Ort zurück, nach Trautskirchen. Zunächst ins Schloss selbst, nun in das frühere Schäferhaus daneben. Unten wohnt er mit seiner Frau Loes Snijders, oben sind ein kleines Büro und ein Allzweckraum eingerichtet: Als Maske und Kostümraum dient er während der Proben, mit einer kleinen Küchenzeile und einem Bett, falls Schauspieler, Regisseur oder Helfer übernachten müssen. Zum Theater kam der heute 60-Jährige übers Reisen, wie er erzählt. Nach einem abgebrochenen Spanisch-Studium war er mit Anfang 20 ein halbes Jahr in Südamerika unterwegs. Dort erzählte ihm eine Freundin von einem Theaterprojekt in München. Die Szene war imAufbruch, neue Formen entstanden, die Schwarz mehr ansprachen als das starre, klassische Theater. Er besuchte Workshops und Kurse, gründete schließlich mit einigen Freunden ein eigenes Theater – im niederbayerischen Ortenburg, wo ein Bekannter einen alten Bauernhof besaß. In München, wo er und auch die anderen herstammten, gab es bereits zu viele Theater. Also wollten sie mit einem Zelt touren.

„Die Idee, unterwegs zu sein, etwas mitzubrinmitzubringen“, faszinierte Schwarz. Auf Reisen suche man etwas Authentisches, profitiere von der Andersartigkeit der Länder und bringe doch als Tourist „außer Geld nicht viel mit“. Bei Comoedia Mundi (lateinisch für Welttheater), soll es anders sein. Schwarz will Exotisches an die Spielorte mitbringen, etwas hinterlassen.

Als Zelttheater ist Comoedia Mundi zumindest in Bayern einmalig. Zirkusse gibt es, Tourneetheater auch, doch die spielen in der Regel in festen Häusern. Für ihre Auftritte nehmen Schwarz und seine Frau, die ausgebildete Sängerin und Schauspielerin ist, alles mit, was sie und die übrige Truppe brauchen. 50 bis 60 Tonnen an Material sind zu transportieren. Da ist zunächst das Zelt für 150 bis 200 Zuschauer, dann die insgesamt elf Wohnwagen. In einem ist ein Café untergebracht, aber auch Toiletten muss es geben, einen Wagen, in dem Requisiten gelagert werden, aber auch Gäste übernachten können. Die Truppe ist klein. Meist sind es etwa vier Schauspieler, ein Techniker, jemand, der sich um das Café kümmert. Schwarz ist vieles in einer Person: Er schreibt Stücke, spielt selbst mit, kümmert sich um die Verwaltung, aber auch um Reparaturen an den Wagen.

In Erlangen, Frankfurt am Main und Augsburg haben sie heuer jeweils für mehrere Wochen gespielt. Der Kontrast zwischen dem lauten Leben in Frankfurt, wo noch bis in die Nacht hinein Trubel herrscht, und dem beschaulichen Winter in der fränkischen Provinz gefällt Schwarz. „Ich bin dort zu Hause, wo mein Wohnwagen steht“, sagt er. Das ganze Jahr in Trautskirchen zu leben, kann er sich nicht vorstellen. Auch wenn er heuer 60 Jahre alt
geworden ist, ans Aufhören denkt er nicht. Die Besonderheiten des Zelttheaters faszinieren ihn noch immer. Viel werde aufgrund des besonderen Ortes mit Klang-und Lichträumen gearbeitet. Anders als bei großen Schauspielhäusern wird ein Stück viel öfter, zwei Jahre lang, gespielt, könne sich so weiterentwickeln, auch in Interaktion mit dem Publikum. Viel ist im Winter zu erledigen, wofür auf Tour keine Zeit ist. Schwarz zeigt einen Karton mit Zeitungsausschnitten. Die müssen sortiert und archiviert werden. Die neue Saison wird vorbereitet. Stücke werden erarbeitet, mit wechselnden Partnern, Projekte abgesprochen, Spielorte vereinbart und Fördermittel beantragt. Seine Frau gibt außerdem Gesangsunterricht.

Im Frühjahr beginnen dann die Proben. Mittlerweile ist Comoedia Mundi auch in der Region so vernetzt, dass selbst im Winter kleinere Projekte stattfinden. Kürzlich gab es einen Auftritt bei der Caritas in Neustadt. Wenn ab dem 1. Dezember täglich ein Fenster am literarischen Adventskalender in Ansbach geöffnet wird, wird um 18 Uhr im Caféwagen des Theaters vorgelesen. Ende April geht es dann wieder los: wohl wieder mit einem kleinen Festival
in Trautskirchen, wie es erstmals 2017 stattfand. Die Premiere des neuen Stücks wird gefeiert. Im vergangenen Jahr gab es außerdem Auftritte befreundeter Künstler sowie von den Gesangsschülern seiner Frau. Dann wird wieder der alte Unimog aus der Scheune gefahren und die Wagen beladen. Das Welttheater geht auf Tour.

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