Wieder einmal hat das Comoedia Mundi Ensemble ihre Wägen und das große Zirkuszelt für zwei Wochen auf dem Stühlinger Kirchplatz aufgeschlagen. Das Wagencafe "Senza Licenza" und ein buntes Programm laden nun täglich ein, bevor es weitergeht ans Frankfurter Museumsufer. Vielen ist das experimentelle und lebendige Theater en tour bekannt, und so kamen sie auch trotz klammem Regenwetter zur Premiere ins rot-blaue Kuppelzeit. Das diesjähriges Stück heißt "Die 270. Nacht" frei nach "Ali Baba und die vierzig Räuber", Regie von Ulrike Möckel. Und was das Publikum in den folgenden prallen zwei Stunden erwartete, war ebenso bekannt wie immer wieder verblüffend. Denn die Bühne war leer - und sie blieb es auch. Nichts von orientalischer Üppigkeit und kilometerlangen Stoffbahnen. Dafür füllte sie sich umso intensiver mit dem, was Theater ist- Geschichten erzählt mit Körpern, Stimmen und Gesten. Am Bühnenrand die zwei Musiker Alfons Wild und Uli Winter in pludrigem Orientdress hinter Piano, Gitarre, Schlagzeug und diversen Trommeln. Gleich entrollten sie arabisch-jazzig den fliegenden Musik-Teppich. Als dann Loes Snijders und Moise Schmidt in roten und blauen Gewändern beginnen, ihre Geschichte wortgetreu zu erzählen, ist man schon mitten im Fernen Orient.
Blumig ist da nicht nur die Sprache, sondern auch das Feuerwerk an Einfällen, die die Szenen spielerisch umsetzen und die Charaktere lebendig machen. Denn die beiden Akteure sind Verwandlungskünstler: Hier ein Zipp am versteckten Reißverschluss, dort ein neuer musikalischer Akzent, schon ist aus der schönen Mardschana der Räuberhauptmann geworden oder aus All Baba der tüttelige Schneider Mustafa. Die Stimmung bewegt sich rasant von frech-komödiantisch bis zur bittersüßen Melancholie. Denn die Story gibt alles her, was in ein Menschenleben so passt:
Liebe, Geiz und Hass, Abenteuer, Gefahr, Trauer und Glück. Ein ständiger Wechsel der Szenen und Personen treibt die Geschichte voran. Assoziativ und scheinbar mühelos spinnt sich der Faden immer weiter und die beiden Akteure wirbeln und zappen sich als Zeitreisende durch die Geschichten-Galaxie. Dabei setzt die Musik den Impuls, und die Musiker sind nicht nur Kulissen-Macher, sondern Mitspieler und Komplizen. Überall ist Rhythmus- da entwickelt sich aus einem Satz, gemeinsam skandiert, ein halber Rap, ein Kanon, ein Klagechor. Mit Pantomime, Tanz, Gesang und Musik schaffen es die vier, die leere Bühne zur Schatzhöhle oder zum Basar zu machen - oder sich selbst in 40 Räuber zu verwandeln. Comoedia Mundi macht mit wilder Fabulierlust lebendiges Erzähltheater.