Mittelbayerische Zeitung - 18.05.2004
(Manfred Stuber)
Die Verführung am Grieser Spitz
Comoedia Mundi ist wieder in der Stadt: "Die Kluge" nach den Grimms Brüdern

Eltern! "Holt eure Kinder ins Haus! Leint eure Dackel an! Die Gaukler sind in der Stadt." Die Komödianten von Comoedia Mundi haben wieder mal ihr Zelt aufgebaut. Gottseidank nur auf dem Grieser Spitz, also gewissermaßen in halbwegs koscherer Distanz. Wir nehmen mal an, das Stadtgartenamt gibt die Jahninsel, auf der die Truppe bis 1995 vor den Augen der Stadt spielte, deshalb nicht mehr frei, weil sie unsere Jugend vor den Verführungen dieser zwielichtigen Fahrenden schützen muss. Es soll ja schon mancher mitgezogen sein. Wie sagten doch damals die Bremer Stadtmusikanten? "Etwas besseres als den Tod werden wir überall finden". Bei den Brüdern Grimm gibt es ein wenig bekanntes Märchen, das heißt "Die kluge Bauerntochter". Daraus hat die Mannschaft unter der Regie von Ulrike Möckel ein faszinierendes Singspiel gemacht: "Die Kluge". Text (viele bedeutungsmagische Satz-Wiederholungen), unerwartete Körperbilder (ein jedes ein Fotomotiv) und Musik (mal archaisch, mal liedhaft-tänzerisch) wirken stimmig zusammen.. Das Grimmsche Märchen hat man deshalb ausgewählt, weil es vielleicht das einzige ist, in dem die Fabel nicht mit der Erfüllung der Liebe endet ("Und wenn sie nicht gestorben sind"), sondern auch den nachfolgenden Ehekrieg zeigt und dessen unerwartete Auflösung. Das Gartenamt hat völlig Recht. Diese Truppe ist gefährlich, denn sie arbeitet mit allen Verführungen. Zwei hervorragende Schauspieler und Sänger - Loes Snijders und Moise Schmidt - praktizieren auf verblüffend lockere Weise fliegende Wechsel von Rolle zu Rolle. Alfons Wild und Istvan Gallus machen dazu eine schmissige Musik auf Instrumenten, deren Namen man nicht einmal ahnt (es gibt davon eine CD). Das Ganze ist gesättigt von der Freiheit, Improvisationskunst und Spontaneität des fahrenden Volkes. Arbeitsprozesse wie das Feldbestellen, Säen und Brotbacken werden zum Beispiel in perkussiven Aktionen verdeutlicht. Ein Schuss vom epischen Theater Brechts schadet hier kein bisschen. Müßig zu betonen, dass diese Liebesgeschichte etwas Parabolisches hat. 

Der König ist auch ein Manager und seine geliebte kluge Bauerntochter verkörpert nichts anderes als die Emanzipation - sozial wie geschlechtlich. Es geht um die Folgen der Arbeitslosigkeit ebenso wie um die gefühlszerstörende Wirkung des Arbeitszwangs. Weitere Aufführungen: 19., 20., 21., 22., 23., 27., 29., 30., 31. Mai, jeweils. 20 Uhr. Am 20. Mai um 15 Uhr: "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren", Am 23. Mai 15 Uhr: "Der kunterbunte Zauberesel" (Kinderstücke.).

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