Fränkische Landeszeitung - 8.5. 2006
(Michael Rabenstein)
Wenn die Wunschgeliebte zur Titelheldin wird
Uraufführung beim Zelttheater Comoedia Mundi in Trautskirchen – Ferruccio Cainero hat Cervantes neu gelesen<br />„Dulcinea“: Weltliteratur von einem anderen Standpunkt aus erzählt – Autor schaut auf Don Quijote aus der Sicht einer Frau

TRAUTSKIRCHEN - Wer kennt ihn nicht, den Ritter von der sprichwörtlich traurigen Gestalt, den „sinnreichen Junker Don Quijote de la Mancha", den sein Klepper Rocinante von Abenteuer zu Abenteuer - zugleich von Niederlage zu Niederlage trug? Das Hauptwerk des im Jahr 1616 verstorbenen Shakespeare-Zeitgenossen Miguel de Cervantes Saavedra wurde in 68 Sprachen übersetzt und dürfte in den ewigen Bestsellerlisten nicht weit hinter der Bibel rangieren.
Die Erlebnisse des beratungsresistentesten Helden der Weltliteratur wurde längst auf Musical- und Comic-Stripformat trivialisiert. Um sich auf das Wesentliche zu besinnen, bedarf es eines neuen Standpunktes.
Die aktuelle Produktion der Comoedia Mundi betrachtet Don Quijote im Rückblick aus den Augen einer Frau. Der Schweizer Schauspieler und Autor Ferruccio Cainero, der sich schon wiederholt mit diesem Thema beschäftigt hat, erzählt die Geschichte aus der Sicht der Titelheldin Dulcinea, der Wunschgeliebten Don Quijotes, die er einst nur aus der Ferne sah.
Die Angebetete, eigentlich schlicht die Bäuerin Aldonza, beeindruckt in einer heruntergekommenen Schenke einen Gast mit ihren Erzählungen über  den idealisierten Ritter. Wie sich für  Don Quijote Windmühlen in Riesen, so  verwandeln sich für sie Stühle in Berge, der Tisch in eine Hochebene und die Zimmerdecke zum Himmel. In de Händen des  weiblichen Pendants zu Don Quijote werden sogar Serviertuch Krug und ein Apfel als der Ritter und sein untersetzter Begleiter Sand Pansa lebendig.
Loes Snijders schlüpft mit gewohnt facettenreicher Sprache und Pantomime in ihre zahlreichen Rollen. Fabian Schwarz als Gast bleibt dabei weitgehend die Rolle des Zuhörers, dessen Interesse sich im Laufe des Abends immer mehr von der Wirtin auf die Geschichten über Don Quijote verlagert.
Schließlich greift er sogar selbst zum Buch, trägt eine Episode aus dem Roman vor, um endlich die Frage nach ihrer Rolle zustellen.
Wer bist Du?
Nur eine Bäuerin zwar, aber Dulcinea. So dass selbst Komplimente fast biblischen Ausmaßes bei ihr nicht fruchten wollen. Für sie gibt es lediglich einen echten Ritter, mit dem sie sich schließlich bis in den Wahnsinn identifiziert. Mit wohl dosierten retardierenden Momenten und ohne Pausenunterbrechung schreitet das Stück spannend und unterhaltsam voran.
Am Ende dieses Theatererlebnisses wandelt sich Loes Snijders erneut - in das eindrucksvolle Bild der legendären Windmühlen.

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