Landshuter Zeitung - 12.6. 2006
Hannelore Meier-Steuhl
Die Macht der Illusion
Auf der Landshuter Ringelstecherwiese hat das Theater Comoedia Mundi sein Zelt aufgeschlagen

Mit dem Märchen von der klugen Bauerstochter, die über den mächtien König triumphiert, kamen sie vor zwei Jahren nach Landshut. Und auch in diesem Jahr regiert in dem kleinen Theaterzelt auf der Ringelstecherwiese am Isarufer wieder eine Frau: das spanische Bauernmädchen Aldonza, das in einer armseligen Schenke die Gäste bedient und dabei in einer anderen Welt lebt. Nämlich in der Welt des fahrenden Ritters Don Quijote, der in ihr einst seine angebetete Dulcinea erblickte und mit seinem höfisch-zarten Liebeswerben dafür sorgte, dass Aldonza den Boden unter den Füßen verlor.

„Dulcinea" heißt deshalb auch das Stück, das die Comoedia Mundi für ihre diesjährige Tournee erarbeitet hat. Im Mittelpunkt steht die von ihrem edlen Ritter längst verlassene Aldonza. die ihren Gästen Abend für Abend Geschichten über Don Quijote erzählt und dabei die Realität in ihrer schäbigen Kneipe vergisst. Denn ähnlich wie Cervantes' verarmter Junker, der durch die Lektüre unzähliger Ritterromane den Verstand verlor und daraufhin mit seinem alten Klepper, dem er den klangvollen Namen Rosinante gab, als vermeintlicher Ritter auf Abenteuer auszog und sich dabei regelmäßig Prügel holte, hat auch Aldonza ihren Verstand verloren, seit ihr der bleichgesichtige Verehrer Minnelieder sang und sie zur edlen Dame, zu seiner Dulcinea adelte. Und so muß jeder Mann, der in Aldonzas Schenke einkehrt und es womöglich wagt, ihr ganz prosaisch den Hof zu machen, schließlich erkennen, dass diese Frau auf einem anderen Stern, in einer anderen Welt lebt, in der keine Zukunft, sondern nur die Vergangenheit existiert.
Die Inszenierung des Schweizer Regisseurs Ferruccio Cainero kommt mit zwei Darstellern und einem Musiker aus. Die fabelhaft präsente Loes Snijders erzählt sich in der Rolle der Aldonza-Dulcinea mit tänzerischer Anmut, knapper Pantomime und grandiosem holländischem Zungenschlag durch die Geschichten über Don Quijote, denen Fabian Schwarz als stummer Kneipengast geduldig lauscht, insgeheim hoffend, sich die schöne Frau damit gewogen zu machen. Eine Hoffnung, die sich mit jeder neuen Episode, die eine zunehmend euphorisierte Aldonza ihm er zählt, ein bisschen mehr zerschlägt. Bis der ernüchterte Gast die Kneipe verlässt, wo sich am Ende eine hübsche Metamorphose vollzieht: die beflügelte „Dulcinea" verwandelt sich in eine sirrende Windmühle, in eine uneinnehmbare Festung, an der jeder, der sie zu stürmen versucht, kläglich scheitern muss.

Gelegenheit, „Dulcineas" Zelttheater-Charme zu erliegen, gibt es wieder am 15./16./17.Juni sowie am 22./ 23./24. und 25.Juni (20.30 Uhr).

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