Frankfurter Allgemeine - 01.06.1997
(Inge Wünnenberg)
Zwischen Umgangssprache und Versmaß
Die ,,Comoedia Mundi" gastiert mit,,Tartuffe oder die Betrüger" im Zelt am Schaumainkai

Eine kleine Wagenburg bilden die altertümlichen hölzernen Zirkuswagen am Frankfurter Schaumainkai. Neben dem dunkelblauen Zelt stehen Bänke, die zu einer Rast mit Blick auf den Main einladen. Schon am Nachmittag füllt sich der Ort mit Leben, wenn der Getränke-Ausschank im Cafe -Wagen beginnt. Die Litfasssäule inmitten der Tische aber informiert darüber, dass den Besucher hier am Abend weder Artisten noch Dressurnummern erwarten. Vielmehr ist die Trautskirchener Theatertruppe ,,Comoedia Mundi", die ihre Produktionen schon des öfteren in Frankfurt vorgestellt hat, wieder in der Stadt zu Gast.
Diesmal spielen fünf Schauspieler, unterstützt vom Musiker Jürgen Mayer, unter dem Titel ,,Tartuffe oder die Betrüger" ein gemeinsam mit Jürgen Erdmann erarbeitetes Stück, das sich um die Aufführung von Molieres Charakterkomödie dreht. Die Inszenierung knüpft zudem an sein 1663 uraufgeführtes ,,Stegreifspiel von Versailles" an. Diese Diskussion unter Schauspielern gilt als eines jener Stücke europäischer Dramatik, auf welche die offene Spielform des modernen Theaters im
20. Jahrhundert zurückgeht. Das Zelttheater hat den Einakter zum Ausgangspunkt für sein Spiel im Spiel genommen.
Die ,,Comoedia Mundi" stellt eine junge Theatergruppe vor, die Molieres ,,Tartuffe" in einer neuen Übersetzung aufführen will, aber am Tag vor der Premiere erfährt, dass eine andere Bühne die Exklusivrechte erhalten hat. Die Trautskirchener Truppe sieht darin eine Parallele zu Moliere, dessen ,,Tartuffe" - allerdings erst nach der Premiere- verboten wurde. Und genau hier hakt die Produktion, bei der Herbert Fischer wieder Regie führte. Die Diktion und das Leben heutiger Schauspieler unterscheidet sich grundlegend vom sozialen wie theatralischen Umfeld des 17. Jahrhunderts. Zwischen der saloppen Umgangssprache der Schauspieler bei ihren wütenden und zermürbenden Diskussionen und den Versen Molieres besteht eine ebenso unüberbrückbare Kluft wie zwischen der Alltagskleidung von Jeans und T-Shirt und den üppigen Spitzenblusen, samtenen Gehröcken und luxuriösen Roben.
Virtuos wechselt die Aufführung die Ebenen. Mal vermissen die Schauspieler
einen Kollegen, der nach der niederschmetternden Botschaft desillusioniert abgereist ist, dann wieder proben sie einzelne Szenen aus Molieres vielfältiger Dramenwelt. Stefano Caflisch etwa spielt mit wenigen Requisiten einen grandios wagemutigen ,,eingebildeten Kranken", der, nur um Mitleid zu erheischen, auch vorm riskanten Einsatz von Glasscherben nicht zurückschreckt. Und Anja Pforte bringt als Tartuffes Gerichtsvollzieher, der Orgons Hab und Gut pfänden will, die bigotten Anordnungen in schnarrendem, gequetschtem Ton und scheinheilig hervor.
Wenn ,,Comoedia Mundi" den originalen Moliere spielt, überzeugt die Truppe mit darstellerischem Talent. Nur wenn sie das Spiel im Spiel in Szene setzt, geraten die Dialoge lang und banal. Jene Zeiten, in denen Aggressionen als Element der Schauspielausbildung auf die Bühne gebracht werden mussten, sind ohnehin passe. Es darf wieder richtig Theater gespielt werden. Warum also nicht ,,Tartuffe" - in der guten alten Übersetzung von Hans Weigel? (Weitere Vorstellungen bis 7. Juni jeweils Mittwoch bis Sonntag um 20 Uhr.)

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