Nürnberg - 10.08.1997
(Denisa Richter)
Auf Achse mit Sack und Pack
Comoedia Mundi tourt im Sommer

Das Sommertreiben auf der Wöhrder Wiese nimmt kein Ende: Kaum hat das ,,Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne" seine Pforten geschlossen, lockt nur wenige hundert Meter entfernt das nächste Spektakel in den Park. Das Zelttheater ,,Comoedia Mundi" gastiert noch bis 6. September mit seinem Stück ,,Tartuffe oder die Betrüger" im Grünen. Oh, Mama, guck mal! Da ist ein Zirkus", ruft ein Kind und bekommt große Augen beim Anblick des blau-roten Zeltes. Tatsächlich erinnert das Szenario im Schatten einer Baumgruppe an Zirkus-Gastspiele und Zigeuner-Romantik: Hinter dem runden Theaterzelt stehen zwölf Holzwagen im Kreis, die teilweise noch aus der Vorkriegszeit stammen in ihnen lebt die neunköpfige Theatertruppe, während sie von Mai bis Oktober durch Deutschland tourt.
Anja Pforte ist seit drei Jahren beim fahrenden Volk. ,,Mein Wagen ist meine Wohnung", sagt sie. ,,Was mir wichtig ist, habe ich dabei." Die acht Quadratmeter hat sich die Schauspielerin gemütlich eingerichtet: Unter einem der beiden Fenster steht ein kleiner Schreibtisch mit Computer -,,die Pressestelle" - links daneben ein Holzregal mit Büchern und Briefen, über dem Sofabett liegen griffbereit die Lieblingskassetten und -CDs.

Den Winter überbrückt die Berlinerin in ihrer Heimatstadt mit Engagements als freie Schauspielerin. Die Wagen stehen in dieser Zeit im Winterquartier der ,,Comoedia Mundi" in Trautskirchen bei Neustadt / Aisch, rund 40 Kilometer von Nürnberg entfernt, wo auch Fabian Schwarz, Mitglied der ersten Stunde, wohnt Spätestens im Februar setzt sich die Truppe dann wieder zusammen, beginnt mit den Proben für ein neues Stück und trifft Vorbereitungen für die kommende Saison: Da werden Stühle gestrichen, Seile verknotet oder - wie in diesem Jahr -ein neues Zelt organisiert. Auf dem Theater-Gelände an der Hadermühle gehen ab 8.30 Uhr die ersten Türen und Augen auf. Gefrühstückt wird individuell, je nach Langschläfer- oder Frühaufsteher-Mentalität ,,Das zieht sich so bis 13 Uhr hin", sagt Anja Pforte. Danach bleiben einige Stunden Freizeit
Pascale Kamarasow aus Frankreich entspannt sich lesend im Liegestuhl, der Schweizer Stefano Caflisch stillt auf einer Bierbank vor dem Gemeinschafts-Küchenwagen den kleinen Hunger zwischendurch. Und der Liebling der Truppe, Golden Retriever-Hündin ,,Kaya", freundet sich inzwischen mit vorbei-spazierenden Nürnberger Artgenossen an. Anja Pforte nutzt die Freizeit in Nürnberg, um am Rothsee den langersehnten Tauchschein zu machen. Gemeinschaftlicher Dreh- und Angelpunkt ist das (Nach-)Mittagessen. In täglich wechselndem Turnus ist jeder mal mit Kochen dran - dazu gehört auch der Einkauf - und kredenzt der Mannschaft meist sein
Spezialgericht.

Nachmittags entspannt sich die Truppe beim gemeinsamen Mahl. Pascale und Hündin Kaya  machen es sich im Schatten der Bäume bequem. 

In fünf bis sieben Städten gastiert das Zelttheater pro Saison, da sind feste Anlaufpunkte wie Nürnberg, Regensburg, Frankfurt oder Aachen ebenso dabei, wie Neueroberungen. Dazu zählt Worms, ,,eine ziemlich verschlafene Stadt", wo vom Jugendclub bis zum Seniorenverein alle die Vorstellungen gestürmt hätten, ,,glücklich, dass endlich etwas los ist".
Der Kontakt zum Publikum wird bei ,,Comoedia Mundi" ohnehin groß geschrieben: Ein alter, blauer Zirkuswagen wurde deshalb zum Cafe-Salon umgebaut. Von 15 Uhr bis Mitternacht können hier Zuschauer, aber auch Spaziergänger und Sonnenhungrige bei einem kühlen Glas Wein oder einer Tasse Cappuccino entspannen. Vor und nach der Vorstellung gibt es an den runden Bistrotischen die Möglichkeit, sich hautnah mit den Schauspielern zusammen- oder auseinanderzusetzen.

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