Nürnberger Nachrichten-online- 29.04.2013
(Harald Munzinger)
Comoedia Mundi: "Ulenspiegel" im Jubiläumsprogramm
Gefeierte Premiere - Freiheitskampf statt Possenspiel

TRAUTSKIRCHEN   - Mit einer vom Publikum begeistert gefeierten Premiere von "Ulenspiegel" hat "Comoedia Mundi" den Vorhang für seine Jubiläumssaison geöffnet. In diese geht das einzige Zelttheater Bayerns mit einer anspruchsvollen Inszenierung, in der das Ensemble hohe Schauspielkunst in einem reizvollen Ambiente bietet.

Wird doch der gemeinhin als Possenreiter mit den Narrenschellen bekannte „Till Eulenspiegel“ gerne mit Jahrmarktszenen in Verbindung gebracht, an die bei der Tournee von Nürnberg über Frankfurt und Regensburg nach Landshut der Wagentross der Theaterleute mit dem „Zirkuszelt“ erinnern mag. Doch unter dessen Dach wandelt sich der „Ulenspiegel“ nach anfänglicher listiger Ulkerei in seiner Lebensgeschichte in 20 Bildern zu einem Freiheitskämpfer, der die Waffe des Geistes sicher zu führen versteht.

Fabian Schwarz (Mitbegründer des mobilen Theaters) hat den Roman des belgischen Schriftstellers Charles Théodore Henri De Coster – „ein Epos des Freiheitskampfes der Flamen gegen die spanische Unterdrückung“ – für die Jubiläumsproduktion interpretiert, deren Regie Herbert Fischer führt, Loes Snijders die dramaturgischen Akzente setzt.

Im Zeitspiegel wird das Leben „Ulenspiegels“ von der noch unbeschwerten Jugend über die Verbannung und Pilgerschaft bis zum grauenvollen Tod der denunzierten Eltern reflektiert. Dabei entsteht ein völlig anderes Bild des Possenreiters, der scharfsinnig seinen Kampf gegen die Unterdrückung durch die Kirche und weltliche Mächte führt; den „spanischen Bruder“ Philipp und späteren Kaiser als Gegenspieler.

So wechseln in der sehr dichten und eindringlichen Aufführung von „Comoedia Mundi“ die Orte der „Erzählung“ im Europa des 16. Jahrhunderts mit schlaglichtartigen Szenen, folgt das Publikum auch gebannt in visionäre Ebenen. Wenn dann noch der Welten Ungemach mit heftigen Regenschauern auf das Zeltdach prasselt, verlieren sich Zeit und Raum, ist der Zuschauer nicht nur nah, sondern mitten im Geschehen mit den Fallstricken der Inquisition, den Fratzen des Bösen und der List, der Kampfansage gegen die sieben Todsünden. Sie verbergen sich in der „Sieben“ nach der zu suchen „Ulenspiegel“ aufgefordert ist.

Für großes Theater in der „Jahrmarktbude der Weltgeschichte“ sorgen Fabian Schwarz mit einer einfühlsamen Interpretation der Romanfiguren von de Coster, dessen „Ulenspiegel“ als Beginn der modernen französischsprachigen Literatur Belgiens gilt, und eine Regie in packend-komprimierten Bildern von Herbert Fischer. Diese setzt ein Ensemble um, das in jeder Szene und in vielfältigen Rollen überzeugt.
Brilliante Schauspieler

Da ist die faszinierende Wandlungsfähig von Loes Snijders, sei es als verführerische römische Wirtin, auf der Streckbank leidende vermeintliche Hexe oder widerwärtig-intriganter alter Fischhändler. Oder Merle Lisek in der Rolle der Nele, die alle Stimmungslagen ebenso ausdrucksstark auszuspielen versteht, wie „Ulenspiegel“ Maximilian Berger - beide bewegungsästhetisch ein perfektes Paar insbesondere in einer paradiesisch-schwerelosen Sequenz der mit Leuchtfarben bemalten, fast nackten Körper.

Fabian Schwarz könnte sich „jede Rolle auf den Leib schreiben“, um sie dann im Scheinwerferlicht zu leben und auch (Musiker) Robert Stephan versteht sich gut in Szene zu setzen. Schnelle Rollen- und ( „fliegende“) Garderobenwechsel stellten Claudia Kucharski und Fabian Schwarz bei Kostüm- und Bühnenausstattung vor eine bestens gelöste Herausforderung. Und Esteban Núnez wusste die 20 Bilder auch in visionären Sphären in den „passenden Lichtrahmen“ zu fassen.

So galt langanhaltender Applaus einer überzeugenden Gesamtleistung, mit der „Comoedia Mundi“ zuversichtlich in eine erfolgreiche Jubiläumssaison starten kann.



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