Strandgut Frankfurt - August 2013
(Winnie Geipert)
Gefühle von unten
Comoedia Mundi: "Ulenspiegel"

Wir verdanken es Friedrich Schiller, dass das Wissen um die Nöte des flandrischen Volkes unter dem Joch der spanischen Krone und Kirche zum deutschen Bildungsgut gehört. Die Mission des Marquis Posa im Historiendrama »Don Carlos« wäre als Publikumsfrage bei »Wer wird Millionär?« wohl ein Hundert¬Prozenter.

Schon deshalb ist es ein Verdienst, wenn die Wandertheatertruppe "Comoedia Mundi" aus Trautskirchen bei ihrem Gastspiel am Mainufer den Konflikt nun fern der Gefühlsgemengelage der Machttechnokraten behandelt und die Leiden der zur fremden Konvention gezwungenen einfachen Menschen nicht wie Schiller im Hörensagen belässt. Die fränkischenTheatermacher folgen in ihrem neuen Stück "Ulenspiegel" dem Nationalepos des Belgiers Charles de Coster von 1867 und beleuchten das Schicksal Flanderns unter dem Terror der Gegenreformation konsequent von unten. Ein Blickwinkel, aus dem sich das vermeintliche Narrentum des eigensinnigen Helden als politischer Widerstand und als Überlebensstrategie entpuppt. Die Bühnenversion stammt von Comoedia-Mitgründer Fabian Schwarz.

Regisseur Herbert Fischer lässt sich in einer zunächst recht lose scheinenden Szenenfolge viel Zeit, die schlichte Welt der Familie des KohlenhändlersohnsTill auszuleuchten, dessen Frohnatur und Freiheitswillen auf wundersame Weise in einem repressiven Klima von Angst und Misstrauen, Folter und Mord gedeihen. Der Vater stirbt auf dem Scheiterhaufen, von einem neidischen Nachbar denunziert, die Mutter wird auf der Folter in den Tod, die gute Katheline in den Wahnsinn getrieben, auch Till wird gequält und muss ins Gefängnis. Fischer gelingt es, uns unmerklich in den Bann einer wohlbalancierten Geschichte zu ziehen, die trotz aller Schreckbilder eine tiefe, durchaus heitere Menschlichkeit grundiert.

Dazu trägt die überaus glückliche Besetzung der Hauptrolle durch Maximilian Berger bei, ein kleines Kraftpaket von Mann, dem der bisweilen begriffsstutzige Bube nicht minderglaubhaft gelingt, wie dessen ihn oft überfallartig überkommende Schläue oder seine Nähe zur geliebten Adoptivschwester Nele. Eindrucksvoller noch als der gute Till wirkt Loes Snijders, die in ihren Rollen als sich aufopfernde Mutter, als lüsterne Lebedame, wirre Katheline oder als putzmuntere italienische Wirtin zum Kraftzentrum dieser Inszenierung wird, um das sich neben Bergers Till auch der wie immer wunderbar erzählende Fabian Schwarz, die frisch aufspielende Merle Lisek (Nele) und der brave Robert Stephan als Henker und Papst in Personalunion fügen. Zauberhaft präsentiert, der Schluss, in dem Nele und Till - beide im Zustand der Unschuld - in einem mystischen Erlösungsakt von ganz oben geheißen wird, die siebenTodsünden auszurotten...


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