Heidenheim - 02.10.1998
(Hans-Peter Leitenberger)
Der Griff zum Schlachtermesser
Loes Snijders sang und spielte Im Café News<br />Chansons von Vian<br /><br />

Lyrisch,sarkastisch, exzentrisch - die Chansons von Bors Vian entführten den Zuhörer in die Clubs von Montmartre. Am Freitagabend gab's Vian pur mit der niederländischen Chansonette Loes Snijders.

Sonnenbrille, gelbes Jackett und Ballonmütze - schrill wie die Welt des Boris Vian war sie gewandet, die holländische Chansonette. Schnell zeigte sich, daß die dunkelblonde Vian-Interpretin diese Aufmachung nicht brauchte, um auf sich aufmerksam zu machen. Mit einer tiefrauchigen Marlene-Dietrich Stimme begann sie sogleich vom Snob zu singen, der sich ein Leichenkleid von Dior wünscht. Die bizarre Welt des "Prinzen von St. Germain" der fünfziger Jahre verstand Loes Snijders immer wieder musikalisch zu. verdeutlichen.

Jürgen Mayer am Piano und in ähnlicher Aufmachung wie seine Kollegin begleitete gekonnt die Songs von der gelangweilten Hausfrau, die sich mit einem Sportler tröstet, aber auch die bissige Ballade vom Kanonenverkäufer.

Boris Vian, der Bohemien und Plattenproduzent, Schriftsteller und Chansonnier hat über fünfhundert Chansons hinterlassen. Ein rastloses Universalgenie, der seine Kerze an beiden Enden brennen ließ und vielleicht deshalb mit 39 Jahren starb. Alkohol und andere Rauschmittel waren dem Schreiber zarter Liebesgedichte wie sarkastischer Politstücke nicht unbekannt.

Ganz im Sinne des Ironikers von der Seine zitierte die Sängerin ein erotisches Gedicht Vians zu Bachmusik vom Klavier, um dann wieder von entschwundenen Träumen und Frauen auf Männerjagd zu singen.

Ihre Stimme gewann mit den Inhalten an Verworfenheit und Erotik. Mit ausgreifenden Bewegungen kommentierte sie die Chansons - passender hätte Vian nicht gesungen werden können. Ironisch, aufbrausend, melancholisch und dann wieder zärtlich, aber immer voller Temperament und Eigenwillen gelang es ihr, die Vielfalt und Genialität Vians hervorzuheben.. Er wollte "den (verschwundenen) Kindern ein Monument" errichten.

Für den Song von den "fröhlichen Schlächtern" zog sich Loes Snijders eine Metzgerschürze an und griff zum Schlachtermesser, um zähnefletschend von den Freuden beim Schlachten von Tieren wie bei Massakern an Menschen mit Grabesstimme zu erzählen. Ein provokantes Stück im Marschrhythmus, das einen erschaudern ließ.

Frankreichs Kolonialkriegege der fünfziger Jahre waren fürVian der Anlaß, in seinen Anklagen bis an den Rand der Geschmacklosigkeit zu gehen. Fast erholsam wirkte das Lied vom Träumer in Paris, der  in der Nähe des Bahnhofs Austerlitz Tomaten auf der Straße züchten wollte.

Das Duo kannte alle Facetten Boris Vians, der es verdiente, einmal wieder gehört und auf so authentische Weise erlebt zu werden. Gerne hätte man den beiden Künstlern etwas mehr Zuhörer gegönnt. Diejenigen, die dabei waren, wurden nicht enttäuscht und erlebten noch eine theaterreife Zugabe. Loes Snijders lallte gekonnt den Berauschten, der "systematisch säuft" und ließ sich dabei auf die Knie eines verdutzten Pärchens nieder. Sarkasmus und Poesie, die Chansons boten ein Wechselbad der Gefühle, das die Gedanken gründlich durchpustete.

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