BAYERISCHE STAATSZEITUNG - 04.05.2019
(Elke Walter)
Das Zelt-Theater COMOEDIA MUNDI tourt mit „Frankenstein“
Leises Spiel mit dem Gruseln

Künstlich neues Leben erschaffen zu können, treibt Menschen nicht erst seit Entdeckung der Gentechnologie unserer Tage umher. Bereits vor 200 Jahren entwarf Mary Shelley in ihrem Romanklassiker "Frankenstein" ein solches Szenario. Mit dem Zelt-Theater Comoedia Mundi, das seinen Wintersitz in Trautskirchen (Landkreis Neustadt/Aisch) hat, feierte die subtil hinterfragende Literaturadaption ihre Uraufführung und geht danach auf Sommertournee.
Im Gepäck: ein Zelt mit rund 170 Plätzen, eine kleine Bühnenfläche, Licht- und Tonanlage sowie mehrere Zirkuswägen als Wohn- und Arbeitsräume. Dazu ein eigener Caféwagen, der seit vielen Jahren auch auf dem Ansbacher Weihnachtsmarkt steht und dort täglich mit einem literarischen Adventskalender überrascht.

Das fahrende Theater, gegründet Anfang der 1980er-Jahre und das einzige seiner Art in Bayern, hat sich im Lauf der Zeit zu einer anspruchsvollen Wanderbühne entwickelt. Auf dem Programm stehen eigene Stücke, Bühnenfassungen literarischer Vorlagen, wie auch Kinderstücke oder Chanson-Abende.

Comoedia Mundi finanziert sich aus seinen Veranstaltungen, wird seit 1997 gefördert durch das bayerische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie den Bezirk Mittelfranken. Unterstützt wird das Theater auch von privaten Helfern und Gönnern. Neben den beiden Betreibern, Loes Snijders und Fabian Schwarz, kommen je nach Produktion weitere Ensemblemitglieder aus unterschiedlichen Ländern dazu.

Dass im mobilen Theaterzelt ganz andere Bedingungen als in einem festen Haus herrschen, steht außer Frage. Das gilt auch für die aktuelle Theaterfassung von Frankenstein. Schwarz hat die Romanvorlage eingedampft, die Kernszenen in knackige Dialoge gefasst. Ein Stück für vier Darsteller ist daraus geworden, wobei alle, bis auf die Monster-Darstellerin Snijders, die auch Regie führt, mehrere Rollen übernehmen.

Zu Wort kommt in dieser Version auch die Schriftstellerin selbst, die die Entstehung ihres Werkes kommentiert. Es ist die Geschichte um Dr. Victor Frankenstein (Fabian Schwarz), der besessen davon ist, aus Leichenteilen einen neuen Menschen zu kreieren. Sein Experiment, besser seine zum Leben erweckte Gestalt, ist nicht mehr beherrschbar. Er lehnt jede Verantwortung dafür ab. Das Wesen, das angenommen sein möchte, Gesellschaft sucht, wird von den Menschen (sehr wandlungsfähig: Iken Marei Sturm, Christina Schmideder) zurück gewiesen und dämonisiert.

Nur ein Blinder nimmt es unvoreingenommen an, lehrt es sprechen und denken. Letztlich reagiert es bösartig und wird zum Mörder:
weniger Monster als tragische Figur. Wer hat Schuld? Das tötende Wesen selbst oder die die Grenzen jeglicher Ethik überschreitende Wissenschaft?
Starke Bilder mit Seilen Comoedia Mundi verzichtet auf Effekthascherei, besinnt sich auf leise Gruselmomente, etwa wenn sich Monster und Schöpfer pantomimisch choreografisch jagen oder das Wesen seinem Schöpfer Verantwortungslosigkeit vorwirft.

Die Katastrophe kündigt sich an. Minimalistisch prägnant sind Soundgestaltung und Bühnenbild, das außer zahlreichen dicken Seilen, die von der Zeltkuppel herabhängen kaum Zubehör aufweist. Die Seile werden, immer neu verschlungen, zu Häuserkonturen, Naturkulisse oder Labor.

Starke Bilder, die ebenso wie die schauspielerische Leistung Gänsehaut verursachen.

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