FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG - 1.7. 2019
(Jürgen Richter)
Passion statt Aktion
Comoedia Mundi spielt "Frankenstein" im Zelttheater am Frankfurter Mainufer

"Hau ab", bekommt der tapsige Fremde bei der ersten Begegnung mit den Dorfbewohnern zu hören. Noch weiß er nicht, wie sehr sich sein Aussehen von der Norm unterscheidet, denn er wurde aus Leichenteilen vom Friedhof zusammengesetzt und mit elektrischer Energie zum Leben erweckt. Zum Bühnenleben erweckt wurde das Geschöpf des Doktor Frankenstein nun vom Wandertheater Comoedia Mundi, das derzeit mit dem Gruselklassiker im Zelt am Frankfurter Museumsufer gastiert.

Die schaurig-romantische Geschichte von Mary Shelley, die den Blick auf das unschuldig missratene Geschöpf richtet und dessen skrupellosen Erschaffer im Verlauf des Dramas als Opfer erscheinen lässt, wird in der Bearbeitung von Fabian Schwarz zurechtgerückt.

Sie zeigt ein Monster, das arglos und neugierig Kontakt sucht und auf jede Zurückweisung immer noch friedlich reagiert. Selbst sein erstes Verbrechen wird zum missslückten Rettungsversuch um gedeutet. Und wenn es endlich Neffe und Frau seines Erschaffers meuchelt, ist diese Tat wegen gebrochener Versprechen quasi legitimiert. In den Verfilmungen verstellen Aussehen und Taten des Geschöpfs die Wahrnehmung des schuldigen Erschaffers und auch in der Bühnenversion bleibt Frankenstein abseits beiläufiger Auftritte etwa im Labor kaum sichtbar. Im Duell mit seinem Geschöpf lässt der Selbsterhaltungstrieb weder Vater- noch Erfinderstolz zu...

Hier ist es der Schlussstrich,für den die Autorin auf die Bühne imaginiert wird. Mary Shelley korrigiert den Plot mit einer feministischen Wendung, fordert "mehr Strom" für Frankensteins tote Frau Elisabeth und verwehrt den männlichen Helden das vorher festgeschriebene Frauenopfer. Ein gutes Dutzend Charaktere werden verkörpert von einem darstellerischen Quartett, in dem Loes Snijders die Monstermaske mit Leidensausdruck belebt. Das Ensemble findet stets Halt an einem Panorama dicker Vertikalseile das mal einen Wald markiert, mal zu einem Dach oder zu einer Hausfront verknüpft wird. In diese Optik strenger Konturen fügen sich die holzschnittartig agierenden Figuren, ihr Drama wirkt als Passion statt als Aktion.

 

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