Fränkische Landeszeitung - 15.09.2003
(Marion Etienne)
Chansons mit Loes Snijders und Jürgen Mayer im Theaterzelt am Kasernendamm
Inneres Glühen mit Humor<br />- Lieder von Jacques Brel und Edith Piaf vorgetragen <br />- Kunst des Verzauberns bewiesen -

ANSBACH - Es lebt noch ein Kind in dieser gestandenen Holländerin. Eine lebhafte, drollige Halbwüchsige, die wie eine Stehaufpuppe über die Bühne hopst, manchmal aber erstaunlich altklug und traurig ist. Sie versteckt sich nicht hinter Schminke und Requisiten, lugt auch nicht schamhaft hinter einem verstaubten Theatervorhang hervor. Nein, sie überfällt Auditorium und Bühne gleichermaßen, vollständig, schnell und kompromisslos. 
Es gibt keine Ecke in dem kleinen "Comoedia Mundi" - Theaterzelt am Kasernendamm, die diese Künstlerin nicht ausfüllt, mit ihrer Stimme und ihrer körperlichen Präsenz. Und spätestens, wenn sie mit ihren eisgrauen Augen bis in die Seelen aller Anwesenden hineingeguckt hat, dann vernimmt man das innere Glühen und die Kraft dieses "Einfrau-Unternehmens". 
Loes Snijders erzählt mit den Chansons ihres Programms" La femme en rouge" von Lebensgefühlen, Schmerzen und Liebe, aber auch von Glück und Vergänglichkeit. Ihren Begleiter am Klavier, Jürgen Mayer, singt sie buchstäblich an die Wand, überrollt ihn mit voller Breitseite. Sein gutes Spiel bleibt zweitrangig, sobald die Schauspielerin ihre kehlige Stimme emporschwingt, mit kräftigen Tönen und einer anrührenden, tiefgehenden Offenheit. 
Man hat nur noch Augen für die löwenmähnige Frau in Rot, die fast zynisch, gleich mit dem ersten Lied, behauptet: "Je suis comme je suis" ("Ich bin, wie ich bin") und sich wenig darum schert, ob man sie so nehmen möchte oder nicht. Auf sehr persönliche Weise schafft sie es, eine intime Atmosphäre herzustellen, und während der Regen monoton auf das Zeltdach fällt, hüllt sie ihr Publikum in einen warmen Kokon aus gewundener Ironie und kräftiger Lebendigkeit. Loes Snijders beherrscht wahrlich die Kunst, die Kälte zu vertreiben. 
Die wirkliche Welt bleibt außen vor, und Chansons von Jacques Prévert, Jacques Brel, Edith Piaf oder Boris Vian nehmen einen gefangen, auch wenn man nicht des Französischen mächtig ist. Es ist vor allem Snijders Mimik und ihrem theatralischen Können zu verdanken, dass man den Sinn der Texte erfasst und nicht immer eine vollständige Übersetzung braucht. Indem sie zwischen kindlicher Offenheit und holländischem Humor pendelt, schafft sie es, ihrem Publikum das Gefühl zu geben, dass es etwas Besonderes ist. 
So wird es immer mehr eingefangen von Liedern über Liebe und Melancholie, über die Irrwege und Widersprüche des Lebens, mit seiner Duplizität der Dinge und seinen verborgenen Wahrheiten. In ihrem mitreißenden Elan und ihrer entwaffnenden Offenheit beweist Loes Snijders, dass sie die Kunst des Verzauberns beherrscht. Diese Allroundkünstlerin gibt auch Kurt Weills und Bert Brechts Lieder so viel tragische Lebendigkeit, dass es fast schmerzt. Ihr "Surabaya Johnny" rührt zu Tränen. 
Am Ende bekommt die Sängerin keine roten Rosen, vielmehr lässt sie selbst welche, wie einst Hildegard Knef, für das Publikum regnen. Sie hätte aber durchaus einen Strauß verdient gehabt.

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