Noch unglaublich jung, da hat der Autor dieser Zeilen am heimischen Plattenspieler bis zum Geht-nicht-mehr-Befehl der Eltern »Funiculi funicula« aufgelegt. In der Version von Connie Francis auf der B-Seite von »Schöner Fremder Mann« ohne ein Wort zu verstehen. Heute weiß er dank Wikipedia, dass die weltbekannte neapolitanische Weise von Peppino Turco/Luigi Denza stammt, die sie 1880 zur Einweihung einer „Funiculare“, einer Seilbahn, auf den Vesuv schufen. Das mitreißende Lied ertönt, wenn auch in einer anderen Version. in der Aufführung von »Sorbas« im Theaterzelt der Comoedia Mundi als die Protagonisten Alexis und Basil jene Seilbahn einweihen, deren symbolträchtigen Bau der große Roman von Nikos Kazantzakis sowie dessen berühmte Verfilmung mit Anthony Quinn erzählen. Und die Bühnenfassung von Fabian Schwarz selbstverständlich auch. Der Comoedia-Mundi-Gründer hat seine während der ersten Pandemie-Welle entstandene Adaption ganz auf das Verhältnis der beiden Hauptfiguren konzentriert, aber er gibt, dank zweier göttlicher Frauen Figuren, auch der Liebe in all ihren Wonnen und tragischen Wendungen gebührenden Raum.
Auch die Musik hat in seiner Zeltversion eine eigene Bedeutung und speist sich nicht nur aus griechischen Quellen. Erzählt wird unter der Regie von seiner Partnerin Loes Snijders die Begegnung des zu neuen Ufern drängenden Schriftstellers Basil, den Fabian Schwarz als einen nachdenklichen Intellektuellen gibt, mit einem Mann voller Tatenkraft und unkontrollierbarer Lebenslust: dem von Snijders mit viel Herz dargestellten Griechen Alexis Sorbas.
Basil, der mit der Pacht eines Bergwerks auf Kreta ein neues Leben anstrebt. macht sich dieses Urgestein zum Freund und zum Partner seines in einem grandiosen Fiasko endenden Unternehmens. Intellekt trifft Gefühl, Salbeitee auf doppelten Rum, Sauerteigsozialismus auf Ego-Anarchie. Wenn Basil sich in philosophischen Bildern ergeht, greift Alexis wild zur Gitarre. »Tanze!« heißt denn auch die Losung, mit der dieser, als alles verloren ist, seinen Freund wie auch uns belehrt, dass das Scheitern selbstverständlich zum Leben gehört und es wert sein kann: Er habe noch nie etwas so schön zusammen krachen gesehen, ruft er begeistert, als die Arbeit von Monaten binnen Sekunden in Trümmern liegt.
Schwarz und Snijders spielen alle Rollen, singen, musizieren sogar und machen, von einer feinen Lichtführung in Szene gesetzt, die Zeltbühne mit minimaler Ausstattung zur Plattform der Ausdruckskunst und Wandlungsfähigkeit zweier routinierter Bühnenprofis. Ein simpler Spazierstock wird, in die Schräge gehalten, zur Reling und lässt uns, von Wellengeräuschen untermalt, die Überfahrt der pantomimisch schwankenden Gestalten nach Kreta imaginieren. Beide schaffen es sogar, sich in der Rolle der auf der Insel gestrandeten französischen Opernsängerin Hortense, Alexis Geliebte, einander abzuwechseln und herzerwärmende, bewegende, kein bisschen komische Tanz- und Näheszenen zu kreieren, wenn Basil sich endlich der Witwe Surmelina zu nähern traut.
Das alles kann gutes Theater.
Es geht nicht gut aus mit den beiden Frauen, und es geht nicht gut aus mit dem großen Unternehmen. Aber es kracht auch im Zelttheater alles zusammen, dass es eine pure Freude ist. Zwei Stunden Glück - Theaterherz, was will man mehr!