Regensburg. Loes Snijders und Jürgen Mayer mit "Boris Vian - Chansons (im)possibles" begeisterten bei Comoedia Mundi am Rock-Zipfel das Publikum.
Boris Vian war ein Held des wilden Lebens. Kriege, so glaubte er, seien durch die mangelnde erotische Erfüllung der Bürokraten zu erklären. Er selbst tat alles, um seine Potentiale gründlich auszuleben und gegen die starre Welt des bürokratischen Geistes ins Spiel zu bringen: Noch während der deutschen Besatzung trat Vian in Paris als Jazztrompeter auf. Später schrieb der studierte Ingenieur pornographische Krimis, verschiedene Theaterstücke, Kurzgeschichten, surreale Romane und provokant-poetische Lieder, wenn er nicht gerade die existentialistische Avantgarde wegdiskutierte oder an alten Autos bastelte. Eine Auswahl aus seinen hunderten von Chansons war
am Mittwoch Abend in der Zeltstadt der Comoedia Mundi zu hören und zu erleben.
Nein, was die Sängerin, Tänzerin, Mimik-Akrobatin und transnationale Wortkünstlerin Loes Snijders zusammen mit dem Gitarristen, Pianisten und gestischen Minimalisten Jürgen Mayer bot, war kein typischer Chansonabend: Es war ein richtiger Chansonabend - einer, der unter die vielbeschworene Haut ging. Das lag einmal am Ort: Weil an diesem heißen Badetag nur eine Handvoll Zuhörer gekommen war, fand die Vorstellung nicht im Zelt, sondern im Caféwagen statt.
Auf engstem Raum war man der zärtlichen Brutalität von Vians Liedern und der verschmitzten Gewalt von Snijders Performance gleichzeitig ausgeliefert. Ein tiefes Erlebnis war das auch darum, weil die trockene Poesie Vians nicht viel zu tun hat mit dem Klischee des Anisette-verklärten Blicks auf Pariser Frühlingstage. Snijders interpretierte seine Lieder als Rollenspiele, als kabarettistische Mini-Opern, die von den Routinen des Daseins erlösen, indem sie unser kleinbürgerliches Leben mit der warmen Instinktwelt sowie mit den gnadenlosen Mechanismen des Politischen kurzschalten. Ausführliche und unterhaltsarme kabarettistische Einleitungen machten Vians Lieder übrigens auch für jene vollkommen nachvollziehbar, die - wie der Rezensent - nicht so gut Französisch können.
Loes Snijders und Jürgen Mayer werden ihr Boris Vian Programm am 6. Juni noch einmal präsentieren. Solange das Zelt der Comoedia Mundi aber noch in Regensburg steht, also bis zum 16. Juni, sind die beiden regelmäßig auch in "Die 270. Nacht" - einer dramatisch-musikalischen Adaption von "Ali Baba und die 40 Räuber" - zu sehen. Wer sich nach einem Atemzug wilden Lebens - oder auch einfach nur nach Leben - sehnt, dem oder der täte in diesen Wochen ein Spaziergang zum Grieser Spitz sicherlich gut.