NEUSTADT - Mit Liedern von Boris Vian präsentierte sich die mehrfach preisgekrönte „Comoedia Mundi” am letzten Abend ihrer Theatertage in der Kreisstadt. Nach dem „Wolfram-von-Eschenbach-Preis" des Bezirks Mittelfranken für das Ensemble wurde nun auch deren „Primadonna" Loes Snijders geehrt. Der Deutschlandfunk kürte sie bei einem internationalen Festival in Köln zur Preisträgerin für ihre Leistung im Bereich Chanson, wovon sich tags darauf die knapp hundert Besucher in der Alten Turnhalle überzeugen konnten.
Boris Vian, der 1920 geborene Sohn eines wohlhabenden Pariser Fabrikanten, arbeitete nur kurz in seinem erlernten Beruf und verfasste noch als Ingenieur seinen ersten Roman und einige Gedichte. Kurz nach der Befreiung Frankreichs 1944 stieß er zum Pariser Intellektuellenkreis um Jean Paul Sartre, schrieb für mehrere Zeitungen, übersetzte, rezensierte Jazzkonzerte oder spielte, seiner Herzkrankheit zum Trotz, selbst Trompete. Den wenigsten ist bekannt, dass Vian auch ein begeisterter Filmer und Schauspieler war, der zum Beispiel im berühmten „Glöckner von Notre Dame" mitwirkte.
Von Anfang an war er eher berüchtigt denn berühmt: Eine missverstandene Parodie auf amerikanische Sex-and-Crime Romane bringt ihm 1946 eine Klage ein. Auch in den folgenden Jahren hat er mit seinen zahlreichen literarischen Werken nur wenig Erfolg - der für einen Rebellen wie Vian freilich nicht das Maß aller Dinge ist. Aus der spitzen Feder des mit nur
39 Jahren verstorbenen Künstlers stammen fast 500 Chansons, in denen er vor allem entweder Gesellschaft und Politik kritisiert oder die Beziehung von Mann und Frau genau unter die Lupe nimmt. Letzteres vor allem ab 1950 vor dem Hintergrund seiner zerbrechenden Ehe.
Loes Snijders, kongenial begleitet von dem Pianisten und Gitarristen Jürgen Mayer, wird in den „Chansons (im)possibles" beiden Facetten des Künstlers gerecht. Ob als Karikatur eines „Snob" oder bei Vians berühmtestem Anti-Kriegs-Lied „Deserteur" - Snijders interpretiert
eindrucksvoll mit großer aber wohldosierter Gestik, mit markanter aber nie überzogener Mimik.
Geschickt bewegt sie sich zwischen den ernsten politischen Liedern und den oft heiteren „Beziehungskisten", die ihr beide Gelegenheit bieten, ein breites Spektrum an Emotionen eindrucksvoll auszudrücken.
Das Publikum wird dabei nur kurz über die Grenze zum Lachen geführt, zum Beispiel wenn sich der Pianist standhaft weigert, Vians Bedeutung für die Jazzmusik zu beschreiben, obwohl er nicht nur selbst auftrat, sondern auch die Jazzplattenabteilung der Firma Philips leitete.
Die frisch gekürte Preisträgerin Loes Snijders findet auch nach der Pause stets das rechte Maß zwischen Tragik und Komik, die sich in den Chansons Vians melancholisch die Hand reichen. Heiter durfte es natürlich werden; aber lustig nicht, denn dazu sei das Leben viel zu gnadenlos.
Dass es aber mitunter auch ein bisschen komisch sein kann, bewies während der Zugaben der unplanmäßige Auftritt eines Hundes. Aber schon der Altmeister des Chansons, Georges Brassens, wusste: „Der Hund hat seinen Schwanz so nötig wie das Publikum Chansons von Boris Vian".